Was ist Pflegeurlaub?
Wenn Mitarbeitende plötzlich mit der Pflege eines nahen Angehörigen konfrontiert sind, stehen sie – und auch Sie – vor einer emotional wie organisatorisch herausfordernden Situation. Pflegeurlaub ist in Deutschland gesetzlich geregelt und gibt Beschäftigten das Recht, sich unter bestimmten Voraussetzungen zeitweise von der Arbeit freistellen zu lassen, um sich der Versorgung und Betreuung ihrer pflegebedürftigen Angehörigen zu widmen.
Als HR-Verantwortliche oder Unternehmensleitung stehen Sie hier im Spannungsfeld zwischen Mitgefühl und Personalplanung.
Pflegeurlaub für Angehörige – insbesondere für Eltern
Wenn Ihre Mitarbeitenden kurzfristig die Pflege eines nahen Angehörigen übernehmen müssen – zum Beispiel der eigenen Eltern –, stellt sich oft ganz plötzlich die Frage: „Was ist jetzt möglich, was erlaubt – und wie geht es weiter mit der Arbeit?“ Für Sie als Arbeitgeber bedeutet das: schnell reagieren, rechtssicher handeln und empathisch begleiten.
In Deutschland haben Beschäftigte laut Pflegezeitgesetz (§ 2 PflegeZG) das Recht, sich bis zu zehn Arbeitstage unbezahlt freistellen zu lassen, um für einen pflegebedürftigen nahen Angehörigen – etwa Vater oder Mutter – eine akut notwendige Pflege zu organisieren oder selbst zu übernehmen. Wichtig: Es muss sich um eine plötzlich eintretende Pflegesituation handeln, z. B. nach einem Krankenhausaufenthalt, einer akuten Verschlechterung des Gesundheitszustands oder einem Sturz mit Pflegefolge.
Wer zählt als „nahe Angehörige“?
Für den Pflegeurlaub gelten unter anderem folgende Personen als „nahe Angehörige“:
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Eltern (auch Stief- und Schwiegereltern)
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Großeltern
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Kinder (inkl. Adoptiv- und Pflegekinder)
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Ehe- oder Lebenspartner/innen
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Enkelkinder
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Geschwister
Eltern zählen also uneingeschränkt zum berechtigten Personenkreis.
🧾 Praxisbeispiel:
Ein Mitarbeitender informiert Sie montags darüber, dass sein Vater nach einem Schlaganfall pflegebedürftig ist und nun kurzfristig versorgt werden muss. Der Mitarbeitende reicht eine ärztliche Bescheinigung ein und beantragt eine zehntägige Freistellung nach § 2 Pflegezeitgesetz (PflegeZG).
Wichtig: Sie als Arbeitgeber dürfen diese Freistellung nicht ablehnen, müssen aber darüber informiert werden – möglichst schriftlich.
Wichtige Punkte für Arbeitgeber:
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Die Freistellung erfolgt unbezahlt, es sei denn, Sie gewähren aus Kulanz Lohnfortzahlung.
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Ihre Mitarbeitenden können bei der Pflegekasse des Angehörigen Pflegeunterstützungsgeld beantragen – ähnlich wie Kinderkrankengeld.
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Es besteht keine Mindestbetriebsgröße für den Anspruch auf kurzzeitige Arbeitsverhinderung – er gilt in jedem Unternehmen, unabhängig von der Anzahl der Beschäftigten.
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Diese Regelung kann mehrfach pro Jahr in Anspruch genommen werden, solange unterschiedliche Angehörige betroffen sind – z. B. erst die Mutter, später der Großvater.

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Voraussetzungen für den Pflegeurlaub
Damit Arbeitnehmer Anspruch auf Pflegeurlaub geltend machen können, müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein. Die Regelungen basieren auf dem Pflegezeitgesetz und der Familienpflegezeit und dienen dazu, sowohl den Bedürfnissen der Arbeitnehmer als auch den Interessen der Arbeitgeber gerecht zu werden.
Anspruchsvoraussetzungen
1️⃣ Pflegebedürftigkeit des nahen Angehörigen:
Der Pflegeurlaub kann nur in Anspruch genommen werden, wenn ein naher Angehöriger wie Eltern, Großeltern, Schwiegereltern, Kinder, Stiefkinder oder Pflegekinder aufgrund einer Krankheit oder Einschränkung als pflegebedürftig eingestuft ist. Ein Nachweis über den Pflegegrad 1 oder höher ist erforderlich.
2️⃣ Nachweis der Pflegebedürftigkeit:
Eine Bescheinigung über die Pflegebedürftigkeit muss von der zuständigen Pflegekasse oder dem medizinischen Dienst vorgelegt werden.
3️⃣ Kurzzeitige Arbeitsverhinderung:
Die Freistellung von bis zu zehn Arbeitstagen ist für die Organisation einer bedarfsgerechten Pflege oder für die akute Betreuung möglich.
4️⃣ Antrag beim Arbeitgeber:
Arbeitnehmer müssen den Pflegeurlaub rechtzeitig beim Arbeitgeber beantragen und die geplante Dauer sowie den Grund angeben. Eine Zustimmung des Arbeitgebers ist in der Regel erforderlich.
Wer hat Anspruch?
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Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die in einem Arbeitsverhältnis stehen, unabhängig von der Unternehmensgröße.
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Nahe Angehörige umfassen neben Eltern und Kindern auch Ehepartner, Lebenspartner, Großeltern sowie Adoptiv- und Pflegekinder.
Besonderheiten für Arbeitgeber
Arbeitgeber sollten darauf achten, dass die rechtlichen Vorgaben eingehalten werden, um mögliche Konflikte zu vermeiden. Zudem ist eine klare Kommunikation mit den Beschäftigten wichtig, um die Organisation der Arbeitszeit während des Pflegeurlaubs sicherzustellen.
Diese Voraussetzungen schaffen eine rechtliche Basis, die sowohl die Bedürfnisse der Arbeitnehmer in einer schwierigen Pflegesituation als auch die betrieblichen Erfordernisse berücksichtigt.
Welche Pflegeurlaub-Modelle gibt es?
Für Arbeitnehmer, die ihre pflegebedürftigen nahen Angehörigen unterstützen möchten, gibt es verschiedene Pflegeurlaub-Modelle, die flexibel auf unterschiedliche Lebenssituationen und Bedürfnisse zugeschnitten sind. Diese Modelle basieren auf den Regelungen des Pflegezeitgesetzes und der Familienpflegezeit.
Kurzzeitige Arbeitsverhinderung
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Dauer: Bis zu zehn Arbeitstage.
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Zweck: Organisation der Pflege oder akute Betreuung eines pflegebedürftigen nahen Angehörigen.
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Finanzielle Unterstützung: Arbeitnehmer können Pflegeunterstützungsgeld bei der Pflegekasse beantragen.
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Anwendung: Besonders geeignet für plötzlich auftretende Pflegesituationen, in denen schnell gehandelt werden muss.
Pflegezeit
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Dauer: Bis zu sechs Monate vollständige oder teilweise Freistellung.
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Anspruch: Gilt für Arbeitnehmer in Betrieben mit mehr als 15 Beschäftigten.
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Besonderheiten: Während dieser Zeit besteht kein Anspruch auf Gehalt, jedoch kann eine individuelle Regelung mit dem Arbeitgeber getroffen werden.
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Voraussetzung: Nachweis der Pflegebedürftigkeit des nahen Angehörigen durch eine Bescheinigung.
Familienpflegezeit
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Dauer: Bis zu 24 Monate, bei einer Mindestarbeitszeit von 15 Stunden pro Woche.
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Zweck: Langfristige Pflege und Betreuung von Angehörigen.
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Finanzielle Unterstützung: Möglichkeit zur Beantragung eines zinslosen Darlehens zur Überbrückung von Einkommensausfällen.
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Anwendung: Besonders geeignet, wenn eine kontinuierliche Betreuung benötigt wird.
Extra: Sonderregelung für Pflege von Kindern
Wenn Kinder, Pflegekinder oder Adoptivkinder betroffen sind, gelten ebenfalls alle genannten Modelle – allerdings greifen hier mitunter ergänzende gesetzliche Vorschriften, etwa im Rahmen der Kinderkrankenpflege. Auch hier ist eine ärztliche Bescheinigung entscheidend für die Beantragung.
Jede Pflegesituation ist individuell – die gesetzlichen Pflegeurlaub-Modelle ermöglichen ein hohes Maß an Flexibilität, aber auch an organisatorischem Aufwand. Arbeitgeber tun gut daran, standardisierte Prozesse zu etablieren, um sensibel und effektiv reagieren zu können.
Pflegefreistellung: Anspruch und Auszahlung
Die Pflegefreistellung ermöglicht Arbeitnehmern, ihre Arbeit vorübergehend zugunsten der Pflege eines nahen Angehörigen auszusetzen. Anspruch haben Arbeitnehmer, wenn ein pflegebedürftiger Angehöriger (z. B. Eltern, Kinder, Pflegekinder, Ehepartner) mit mindestens Pflegegrad 1 betreut werden muss. Ein Nachweis der Pflegebedürftigkeit ist erforderlich.
Die Freistellung kann entweder kurzfristig (bis zu zehn Arbeitstage) oder langfristig (bis zu sechs Monate) erfolgen. Während der kurzfristigen Freistellung zahlt die Pflegekasse auf Antrag Pflegeunterstützungsgeld, das 90 % des Nettogehalts ersetzt. Bei längeren Freistellungen gibt es in der Regel keine Gehaltsfortzahlung, jedoch besteht die Möglichkeit, ein zinsloses Darlehen beim Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben (BAFzA) zu beantragen.
Arbeitnehmer müssen die Pflegefreistellung rechtzeitig beantragen und nachweisen. Arbeitgeber sind verpflichtet, die Freistellung zu gewähren, sofern die gesetzlichen Vorgaben erfüllt sind.
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Alternative zum Pflegeurlaub
Pflegeurlaub ist nicht die einzige Möglichkeit, auf eine akute oder längerfristige Pflegesituation in der Familie zu reagieren. Gerade für Unternehmen, die auf Planungssicherheit angewiesen sind, oder für Mitarbeitende, die flexible Lösungen suchen, lohnt sich der Blick auf Alternativen zum klassischen Pflegeurlaub.
▶️ Gleitzeit / Arbeitszeitkonto
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Nutzung vorhandener Überstunden oder Plusstunden
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Flexibler Ausgleich von Pflegebedarf ohne formelle Freistellung
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Integrierbar in bestehende Arbeitszeitmodelle (z. B. mit Shiftbase)
▶️ Erholungsurlaub oder unbezahlter Urlaub
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Kurzfristige Überbrückung durch regulären Urlaub
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Längere Abwesenheiten durch freiwillige unbezahlte Freistellung
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Schriftliche Vereinbarung zu Dauer, Sozialversicherung & Rückkehr empfehlenswert
▶️ Mobiles Arbeiten / Homeoffice
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Möglichkeit, berufliche und pflegerische Aufgaben besser zu kombinieren
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Nur sinnvoll bei geringem Pflegebedarf oder stabiler Versorgungssituation
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Klare Absprachen zu Verfügbarkeit, Datenschutz und Arbeitsleistung notwendig
▶️ Teilzeitmodelle / Jobsharing
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Befristete Teilzeitvereinbarungen mit Rückkehrrecht
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Entlastung durch reduzierte Wochenarbeitszeit bei gleichzeitiger Bindung ans Unternehmen
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Kann unabhängig vom Pflegezeitgesetz vereinbart werden
▶️ Externe Pflegeberatung / Sozialberatung
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Unterstützung bei Organisation von Pflege durch Krankenkassen oder externe Dienste
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Entlastet Mitarbeitende, verhindert oder verkürzt Pflegeauszeiten
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Signalisiert Fürsorgekultur im Unternehmen
Fazit: Pflege mit Weitblick organisieren – Flexibilität zahlt sich aus
Pflegebedürftigkeit kann plötzlich eintreten – und stellt sowohl Ihre Mitarbeitenden als auch Ihr Unternehmen vor organisatorische Herausforderungen. Als Arbeitgeber sind Sie gefragt, rechtssicher, menschlich und pragmatisch zu reagieren.
Der gesetzliche Pflegeurlaub bietet klare Rahmenbedingungen, ist aber nicht immer die einzige oder beste Lösung. Flexible Alternativen wie Gleitzeit, Teilzeit, Homeoffice oder externe Pflegeberatung ermöglichen oft individuellere und für beide Seiten tragbare Wege.
Wer frühzeitig über die verschiedenen Pflegeurlaub-Modelle informiert und passende HR-Strukturen schafft, zeigt Fürsorge, stärkt die Mitarbeiterbindung – und bewahrt die betrieblichen Abläufe.
Tipp zum Schluss: Mit digitalen Tools wie Shiftbase lässt sich Pflegezeit nicht nur korrekt erfassen, sondern auch transparent und mitfühlend begleiten – vom ersten Antrag bis zur Rückkehr ins Team.
Häufig gestellte Fragen
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Bis zu zehn Arbeitstage pro pflegebedürftiger Person, nicht pro Jahr. Weitere Freistellungen sind im Rahmen der Pflegezeit (bis 6 Monate) und Familienpflegezeit (bis 24 Monate in Teilzeit) möglich.
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Die Pflegekasse zahlt auf Antrag das Pflegeunterstützungsgeld (nicht der Arbeitgeber). Bei längerer Pflegezeit besteht kein Lohnanspruch – stattdessen ist ein zinsloses Darlehen möglich.
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Bei akuten Fällen: sofortige Mitteilung + ärztliche Bescheinigung.
Bei längerer Pflegezeit: schriftlicher Antrag mit Frist (10/8 Wochen). Antrag auf Pflegeunterstützungsgeld erfolgt bei der Pflegekasse.