29 September 2022

Ein neues Urteil des Bundesarbeitsgerichts mit weitreichenden Folgen stellt Arbeitgeber vor ganz neue Herausforderungen. Denn in Zukunft ist es für Arbeitgeber verpflichtend, die Arbeitszeiten ihrer Angestellten systematisch zu erfassen. Das wohl bekannteste Zeiterfassungssystem ist die gute alte Stechuhr. Aber auch jenseits dieses bereits 1888 patentierten Systems gibt es zahlreiche Möglichkeiten der Arbeitszeiterfassung. Die Frage, die du dir gerade als Arbeitgeber stellen könntest, lautet: Machen all diese Möglichkeiten die Arbeit wirklich einfacher?
Was ist der Sinn einer verpflichtenden Arbeitszeiterfassung?
Vielleicht hast du als Arbeitgeber aktuell das Gefühl, es ginge ausschließlich um den Schutz der Arbeitnehmer. Tatsächlich hat der Gesetzgeber beide Seiten im Sinn, wenn er vorschreibt, dass du als Arbeitgeber die Arbeitszeiten deiner Angestellten systematisch erfassen sollst. Gerade für kleine und mittelständische Betriebe soll der Aufwand vor allen Dingen händelbar bleiben. Es geht also nicht etwa darum, dich als Arbeitgeber zu drangsalieren.
Gleichzeitig soll die neue Maßgabe aber auch die Arbeitnehmer schützen: Es soll überprüfbar sein, dass Arbeitnehmer die im Arbeitszeitgesetz vorgegebenen Höchstgrenzen einhalten. Praktisch gesprochen: Niemand soll sich buchstäblich zu Tode arbeiten. Insofern ist die neue Vorschrift für alle Beteiligten ein Gewinn. Aber es gibt durchaus auch kritische Stimmen.
Gerade in den Details stecken viele Fragen
So war es bisher die Regel, dass die Arbeitszeit erst am wirklichen Arbeitsplatz anfängt. Was aber, wenn der Weg durch das Werk vergleichsweise lang ist? Fällt dieser Weg dann vielleicht noch unter den Sammelbegriff „Arbeitsweg“? Was ist mit kleineren Pausen? Müssen Raucher für jede Raucherpause ein- und wieder ausstempeln? Haben Raucher dann automatisch mehr Anspruch auf ausgestempelte Pausen? Ist das nicht eine Ungleichbehandlung der Nichtraucher?
Die aktuellen Zeiten bringen aber noch ein ganz anderes Problem mit sich: Immer mehr Firmen setzen verstärkt auf Digitalisierung und Home Office. Und die Zunahme von Arbeit im Home Office macht die Zeiterfassung noch intransparenter. Denn theoretisch wäre es ja möglich, eine Arbeitszeiterfassung auch im Home Office zu installieren. Was aber, wenn dein Arbeitnehmer dann gar nicht arbeitet, aber eingestempelt bleibt? Da bleibt nur das System der Arbeitsstellen auf Vertrauensbasis – soll heißen: Du als Arbeitgeber musst einfach darauf vertrauen, dass deine Mitarbeiter schon arbeiten, wenn sie eingestempelt sind. In Zeiten, in denen sich die Arbeit nicht zum Arbeitsplatz hin-, sondern eher davon wegbewegt, ist es einfach nicht mehr aktuell, dass ein Schichtleiter zum Beginn der Schicht durch die Hallen schreitet und durchzählt.
Kritik auch vom Arbeitgeberverband
Fakt ist: Die Arbeitszeiterfassung ist beschlossene Sache. Damit muss sie in den Betrieben umgesetzt werden. Über das Wie gibt es allerdings noch viele Diskussionen. Denn gerade der Arbeitgeberverband kritisiert, dass oftmals nur teure Systeme zur Zeiterfassung bereitstehen. Von praktischen, alltagstauglichen Systemen zur Zeiterfassung sind die meisten Anbieter noch meilenweit entfernt.
Dazu käme demnach auch, dass das Gericht eher überstürzt gehandelt und die Entscheidung nur unzureichend durchdacht habe. Die Umsetzung habe mit einem Anwendungsbereich des Arbeitsschutzgesetzes nur wenig zu tun. Auch für Arbeitnehmer könne sich die Entscheidung negativ auswirken.
Wer nämlich bisher auf eine Arbeitsstelle auf Vertrauensbasis zählen durfte, könnte sich demnächst wieder in der Pflicht sehen, seine Zeiten manuell zu erfassen. Zwar gibt es Bestrebungen, die Arbeitnehmer könnten entsprechende Nachweise auch selbst zur Verfügung stellen. Genau das will das Gericht jedoch verbieten. Es ginge um eine tatsächlich systematische Erfassung und die darf eben nicht einfach nur in Tabellenform geführt werden. Unter einer solchen Methode sind nur Techniken zu verstehen, die eine elektronische Basis haben.
Woher kommen eigentlich die neuen Bestrebungen?
Die neuen Regelungen gelten EU-weit und genau da ist auch der Ursprung des Gesetzes zu suchen, genauer gesagt in Spanien. Hier hatte eine Gewerkschaft geklagt, dass die Deutsche Bank in Spanien keine Arbeitszeiten erfasse und die Mitarbeiter oftmals viel zu viel arbeiten würden. Das spanische Recht, so stellte sich heraus, sah aber keinerlei Verpflichtungen vor, die Arbeitszeiten systematisch zu erfassen. Ein Blick über den Tellerrand zeigte, dass entsprechende Regelungen in vielen Mitgliedsländern der EU bisher fehlten.
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) fand klare Worte: Eine systematische Arbeitszeiterfassung müsste her. Damit sahen sich deutsche Unternehmen aber noch lange nicht im Zugzwang, denn eine Umsetzung in nationales Recht fehlte als Grundlage. Auch diesen Spekulationen machte das Bundesarbeitsgericht ein schnelles Ende. Die erforderlichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes seien umgehend umzusetzen.

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